Ängstlicher Bindungstyp: Gründe und Anzeichen

Der ängstliche Bindungstyp gehört zu den drei unsicheren Bindungsstilen und entwickelt sich oft in frühester Kindheit. In den meisten Fällen ist die ängstliche Bindung auf eine inkonsequente Erziehung zurückzuführen.

Emotional distanziertes Verhalten einer oder beider primären Bezugspersonen (Vater und Mutter) sind ebenfalls häufig Grundlage für die Entwicklung eines ängstlichen Bindungsstiles.

Geringes Selbstwertgefühl, starke Angst vor Ablehnung oder verlassen zu werden bzw. Anhänglichkeit in Beziehungen sind häufige Anzeichen für diesen Bindungsstil.

Die gute Nachricht ist, auch wenn es nicht ganz einfach ist, können Menschen mit solchen Bindungsproblemen und ängstlichen Bindungsmustern einen sicheren Bindungsstil entwickeln.

In diesem Artikel erfährst du alles zu den häufigsten Fragen rund um den ängstlichen Bindungstyp:

  • Wie entsteht die Bindung in der frühen Kindheit?
  • Wie entwickeln Kinder unsichere Bindungsstile?
  • Was verursacht ängstliche Bindung bei Kindern?
  • Welche Kinder haben ein höheres Risiko, eine ängstliche Bindung zu entwickeln?
  • Wie sehen Beziehungen zu ängstlichen Erwachsenen aus?
  • Kann man einen ängstlichen Bindungsstil ändern?
  • Wie kann man sich von ängstlicher Bindung heilen?

Was es über die ängstliche Bindung zu wissen gibt

Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Unterstützung. Die meisten von uns sehnen sich danach. Wir wollen geliebt werden, wir wollen uns sicher, geschätzt und gewürdigt fühlen.

Niemand mag es, im Regen stehen gelassen zu werden. Es ist normal, dass man sich von seiner Familie, seinen Freunden und vor allem seinem Partner Anerkennung, Hilfe und emotionale Zuwendung wünscht.

Es ist auch normal, Angst davor zu haben, die Liebe seines Partners zu verlieren. Problematisch wird es erst dann, wenn diese Bedürfnisse und Ängste zu stark werden. Können das Bedürfnis nach Sicherheit und die Angst vor dem Verlassenwerden so stark werden, dass sie deine Beziehungen kontrollieren? Es ist vielleicht nicht immer leicht, einen unsicheren und in diesem Falle ängstlichen Bindungsstil bei Erwachsenen zu erkennen.

Die Muster in den sozialen Beziehungen können mitunter kaum erkennbar sein. Es gibt jedoch bestimmte Anzeichen, die auf die verschiedenen Art von Bindung hinweisen.

Aber schauen wir doch mal etwas genauer hin, was die Ursachen für die Entwicklung eines ängstlichen Bindungsstils sind, wie du ihn bei dir (und anderen) erkennen kannst und was du dagegen tun kannst.

Eine kurze Einführung in die Bindungstheorie

Laut dem Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby prägt die frühe Beziehung eines Kindes zu seinen Bezugspersonen die Art und Weise, wie das Kind soziale Interaktionen und Beziehungen während seines gesamten Lebens angeht.

Das Konzept ist relativ leicht zu verstehen. Wenn ein Baby geboren wird, ist die erste soziale Bindung, die es erfährt, die zu seinen primären Bezugspersonen (in den meisten Fällen den Eltern). Zu diesem Zeitpunkt beginnt das Gehirn des Kindes, eine Vorstellung von sozialen Interaktionen zu entwickeln.

Wenn das Kind in einer warmen und fürsorglichen Umgebung aufwächst, in der die Bezugspersonen auf die emotionalen Bedürfnisse des Kindes eingehen, entsteht eine sichere Bindung.

Dem Kind wird indirekt vermittelt, dass seine Gefühle und Bedürfnisse anerkannt werden, dass es unterstützt und geliebt wird und dass man den Menschen im Allgemeinen vertrauen kann.

Wenn ein Kind hingegen den Eindruck hat, dass seine Bedürfnisse nicht erfüllt werden, ist es nicht in der Lage, eine sichere und stabile Bindung zu seinen Bezugspersonen aufzubauen. Dies führt zu einer verzerrten Wahrnehmung, wie Beziehungen funktionieren und in den meisten Fällen zur Entwicklung von einem der drei unsicheren Bindungsstile.

Basierend auf aktueller Forschung spricht man bei Erwachsenen von den vier folgenden Bindungstypen:

Was sind die Gründe für einen ängstlichen Bindungsstil?

Die Entwicklung eines ängstlichen Bindungsstils (bei Kindern auch als ängstlich-ambivalent bezeichnet) geht häufig mit einem inkonsequenten Erziehungsmuster einher. Manchmal sind die Eltern unterstützend und gehen auf die Bedürfnisse des Kindes ein. Zu einem anderen Zeitpunkt sind sie vielleicht abweisend und nicht in der Lage, das Kind zu unterstützen.

Diese Inkonsistenz wird es dem Kind schwer machen zu verstehen, was das Verhalten der Eltern bedeutet und welche Art von Reaktion es in Zukunft erwarten kann. Das Kind wird vermutlich verwirrt sein über seine Beziehung zu den Betreuungspersonen, deren Verhalten und die gemischten Signale, die ein oder beide Elternteil aussenden.

Ein weiterer Faktor, der mit der Entwicklung eines ängstlich-ambivalenten Bindungsstils bei Kindern in Verbindung gebracht wird, ist eine emotionale Übersättigung durch die primären Betreuungspersonen. In diesem Fall suchen die Betreuungspersonen vermehrt nach emotionale und körperliche Nähe zu den Kindern, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und nicht die der Kinder.

Solche Eltern können aufdringlich oder überfürsorglich erscheinen. Sie könnten das Kind benutzen, um ihren eigenen Bedarf nach Liebe zu stillen oder um sich selbst in einem bestimmten Licht darzustellen (z. B. als perfekte Eltern).

Ein weiterer häufiger Grund für die Entwicklung eines ängstlich-ambivalenten Bindungsstiles bei Kindern sind Eltern, die ebenfalls ängstliche Bindungsmuster aufzeigen. Dabei geht es aber nicht um Genetik, sondern um die Kontinuität von Verhaltensmustern in der Erziehung, teilweise über Generationen hinweg.

Welche Kinder haben ein höheres Risiko, eine ängstliche Bindung zu entwickeln?

Im vorangegangenen Abschnitt hast du bereits einen Überblick darüber bekommen, welche Verhaltensweisen der primären Bezugspersonen die Fähigkeit des Kindes, eine sichere Bindung aufzubauen, gefährden kann.

Inkonsequentes Eingehen auf die emotionalen Bedürfnisse des Kindes, mangelnde Anpassung und emotionale Distanz sind einige der Risikofaktoren für die Entwicklung eines ängstlichen Bindungsstils bei Kindern.

Darüber hinaus gibt es einige weniger häufige Risikofaktoren, wie z. B.:

  • Physischer oder psychischer Missbrauch
  • Frühe Trennung von der Bezugsperson

Wichtig ist allerdings, dass ein unsicherer Bindungsstil keine psychische Krankheit oder Störung ist. Er kommt bei Erwachsenen häufig vor und stellt in den meisten Fällen keinen Grund zur Sorge dar. Dennoch kann ein unsicherer Bindungsstil Stress verursachen oder bestehenden Beziehungen schaden.

Einen ängstlichen Bindungsstil bei Erwachsenen erkennen

Woran erkennt man eine Person mit einem ängstlichen Bindungsstil? Erwachsene mit einem ängstlichen Bindungsstil schätzen zwar andere hoch ein, leiden aber oft unter einem geringen Selbstwertgefühl.

Menschen mit diesem Bindungsstil sind sensibel und gehen auf die Bedürfnisse ihrer Partner ein, sind aber oft unsicher und ängstlich, was ihren eigenen Wert in einer Beziehung angeht. Wenn der geliebte Mensch sie zurückweist oder nicht auf ihre Bedürfnisse eingeht, können sie sich selbst die Schuld geben oder sich als nicht liebenswert einstufen.

Im Allgemeinen brauchen Erwachsene mit Bindungsangst die ständige Bestätigung, dass sie geliebt werden, wertvoll und gut genug sind. Die starke Angst, verlassen zu werden, kann dazu führen, dass ängstliche Erwachsene sehr eifersüchtig oder misstrauisch gegenüber ihren Partnern sind.

Diese Angst kann auch dazu führen, dass sie verzweifelt und anhänglich werden und sich permanent mit ihren Beziehungen beschäftigen. Erwachsene mit einem ängstlichen Bindungsstil haben oft Angst vor dem Alleinsein oder sind sogar unfähig dazu.

Sie suchen Intimität und Nähe und sind in hohem Maße emotional und abhängig von anderen. Die Anwesenheit einer geliebten Person scheint ein Heilmittel für ihre starken emotionalen Bedürfnisse zu sein.

Außerdem neigen sie dazu, sogenannte People Pleaser zu sein und immer zu versuchen, es allen recht zu machen. Oft leiden dabei ihre eigenen Bedürfnisse. Nimmst du z.B. häufiges Unwohlsein in Kauf, um deinen Partner nicht zu verletzen, obwohl dich sein Verhalten stört, dann ist das ein deutliches Anzeichen dafür, dass du vermutlich ein People Pleaser bist.

Wie äußert sich der ängstliche Bindungsstil in einer Beziehung

Ein unsicherer Bindungsstil kann sehr anstrengend sein und das gilt für beide Partner. Es kann sich anfühlen, als wärst du die ganze Zeit auf einer emotionalen Achterbahnfahrt.

Angst, Stress, Unglücklichsein und geringer Lebenszufriedenheit sind häufig die Folge. Für Erwachsene mit einem ängstlichen Bindungsstil können Beziehungen sowohl lebensrettend als auch lebensbedrohend sein.

Einerseits ist die Angst, allein zu sein oder abgelehnt zu werden, ein beunruhigendes Gefühl, das zu ständigen Zweifeln und Sorgen führt. Andererseits ist die Anwesenheit der geliebten Person und vor allem ihre Zuneigungsbekundungen das Heilmittel und sorgt für einen enormen Ausstoß an Glückshormonen.

Meist wird ein ängstlicher Mensch unsicher sein, wo er in einer Beziehung steht und ob sein Partner ihn so sehr liebt wie er selbst. Folglich könnte die kleinste Enttäuschung oder das kleinste Zeichen der Ablehnung durch den Partner dem ohnehin schon geringen Selbstwertgefühl schaden. Bestes Beispiel hierfür ist das Kopfkino, das quasi sofort beginnt, wenn der Partner sich eine Zeit lang nicht meldet, z.B. nicht auf eine Nachricht antwortet.

Kann man einen ängstlichen Bindungsstil ändern?

Ja, kann man, denn zum Glück lassen sich Bindungsstile verändern. Manchmal geschieht diese Veränderung von selbst, z.B. durch eine Beziehung zu einer sicher gebundenen Person. Die emotionale Nähe und ein Gefühl der Ruhe und Stabilität können dazu beitragen, dass sich der eigene unsichere Bindungsstil verändert.

Die sichere Bindung einer anderen Person kann zu einer veränderten Wahrnehmung und zu neuen Gewohnheiten und Mustern führen. Das ist im Grunde das beste Szenario. Grundsätzlich solltest du aber davon ausgehen, dass es nicht von allein passieren wird, sondern du Zeit und Arbeit in dich investieren musst. Du kannst deine Vergangenheit nicht ändern, aber du kannst deine Gegenwart ändern.

Der Schlüssel zur Heilung eines unsicheren Bindungsstils besteht darin, die Art und Weise zu verstehen, wie du mit deinen Lieben interagierst, besonders mit deinem Partner.

Wenn du lernst, deine Verhaltensmuster in Beziehungen zu erkennen und sich diese bewusst zu machen, wirst du auch Wege finden diese Probleme zu lösen. Selbstreflexion ist wichtig. Die Analyse und Aufarbeitung Ihrer Kindheitserfahrungen sind ebenfalls ein wichtiger Schritt.

Allein die Erkenntnis, dass vergangene Erfahrungen die Gegenwart und die Zukunft nicht beeinflussen müssen, wird es dir leichter machen, dich von deinen bekannten Verhaltensmustern und Gewohnheiten zu lösen.

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass die Arbeit mit einem Therapeuten der vermutlich beste Weg ist, um eine sichere Bindung zu erlangen, es geht aber auch ohne. Egal, wie du es angehen willst, wenn du deinen Bindungsstil ändern willst, müssen du dich anstrengen. Es kommt nicht darauf an, ob du mit einem engen Freund, einem Therapeuten oder einem Buch daran arbeiten willst, es wird vermutlich nicht immer einfach, aber es lohnt sich.