Die 4 Bindungstypen und ihre Rolle in unseren Beziehungen

Immer mehr Menschen versuchen ihre eigenen Gedanken und Verhaltensmuster zu verstehen und stolpern dabei sehr oft über die verschiedenen Bindungstypen und den Einfluss, den sie auf alle unsere Beziehungen haben. Der Bindungsstil wirkt sich auf alle Arten von zwischenmenschlichen Beziehungen aus, aber besonders auf das Liebesleben.

Die Bindungstypen entwickeln sich in aller Regel früh im Leben und bleiben oft über längere Zeit stabil. Das bedeutet aber nicht, dass unsichere Bindungsformen nicht in eine sicherere Form umgewandelt werden können. Ein erster Schritt eventuelle Probleme, die durch deinen Bindungstyp entstehen, zu lösen ist, die verschiedenen Typen zu verstehen und zu identifizieren, zu welcher Gruppe du gehörst.

Außerdem ist es wichtig zu verstehen, wie sich die verschiedenen Bindungstypen entwickeln und was vielleicht der Auslöser für die Entwicklung sein könnte.

Unsichere Bindungstypen erzeugen negative Beziehungsmuster

Hast du dich schon mal gefragt, warum es immer wieder dasselbe Spiel ist? Warum du immer wieder in einer ähnlichen negativen Situation landest und das eventuell sogar mit unterschiedlichen Partnern?

Vielleicht ist es immer wieder deine Eifersucht, die zu Problemen führt, oder bist du zu anhänglich? Diese und andere Verhaltensmuster, wie z.B. sich bei zu viel emotionaler Nähe zurückzuziehen, sind auf unseren Bindungsstil zurückzuführen.

Wenn du in deinen Partnerschaften und Beziehungen immer wieder ähnliche Muster negativer und emotional herausfordernder Verhaltensweisen festgestellt hast, könnte es Sinn ergeben, tiefer zu graben und zu erforschen, wie du dich an Menschen in intimen Beziehungen bindest.

Zu verstehen, was Bindungsstile sind, und die Grundlagen der Bindungstheorie zu kennen, ist ein wichtiger Faktor in diesem Prozess.

Was sind Bindungsstile und wie wirken sie sich aus?

Laut dem Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby hat die Bindung zu den primären Bezugspersonen in der Kindheit einen massiven Einfluss auf die künftigen sozialen und intimen Beziehungen. Damit aber nicht genug, denn der Bindungsstil wirkt sich auch auf die Beziehungen am Arbeitsplatz und Freundschaften aus.

Unsere frühen Bindungen sind die Vorlage dafür, wie wir als Erwachsener Beziehungen aufbauen und interpretiertieren.

Bowlbys Arbeiten zur Bindungstheorie reichen bis in die 1950er Jahre zurück und entwickeln sich aufgrund der kontinuierlichen Forschung zu diesem Thema ständig weiter. Auf der Basis dieser Arbeit haben sich vier primäre Bindungsstile etabliert.

Die vier Bindungsstile

Aus evolutionärer Sicht hat enge Beziehungen sowohl Überlebens- als auch Fortpflanzungsvorteile. Aus diesem Grund konzentrierte sich Bowlby in seiner Arbeit auf den menschlichen Wunsch bzw. die Grundbedürfnisse nach Kontakt, Liebe, Unterstützung und Trost. Das angeborene „Bedürfnis nach Zugehörigkeit“ gilt in der Bindungstheorie als eine der wichtigsten Antriebskräfte für unser Handeln.

Oft reicht unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit alleine aber nicht aus, denn Liebe und Beziehungen sind selten so perfekt und problemlos, wie wir es gerne hätten. Viele zwischenmenschliche Probleme lassen sich dabei auf die Probleme zurückführen, die mit unseren verschiedenen Bindungsstilen zusammenhängen.

Bevor wir uns mit den definierenden Merkmalen der vier Bindungsstile befassen, ist es vielleicht nützlich zu verstehen, wie sich die Bindungsstile bei Kindern entwickeln.

Wie sich Bindungstypen im Kindesalter entwickeln

Einfach gesprochen bildet die Art und Weise, wie die primären Bezugspersonen (in der Regel die Eltern) auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen und diese erfüllen, die Grundlage dafür, wie das Kind später enge Beziehungen wahrnimmt und wie es sich in diesen Beziehungen verhält.

Der Grund dafür, warum der Einfluss der Eltern so groß ist, lässt sich einfach erklären. Ein Kind ist von seinen Bezugspersonen abhängig und sucht bei ihnen Trost, Beruhigung und Unterstützung. Wenn die Bezugspersonen eine warme und fürsorgliche Umgebung bieten und auf die körperlichen und emotionalen Bedürfnisse des Kindes eingehen, entwickelt das Kind eine sichere Bindung.

Andererseits führt negatives Verhalten der Bezugspersonen wahrscheinlich zu einer unsicheren Bindung. Dabei sollte allerdings erwähnt werden, dass das negative Verhalten der Bezugspersonen vielleicht nicht absichtlich passiert. Das Kind wird aber trotzdem lernen, dass sie seine Bedürfnisse nicht erfüllt werden.

Jeder der 4 Bindungsstile hat seine eigenen typischen Züge und Merkmale. Dennoch passt eine Person nicht zwingend zu 100 % in eine einzige Kategorie. Bindung ist immer ein Spektrum und so kann es gut sein, dass du Einflüsse mehrere Bindungsstile bei dir oder deinem Partner entdecken wirst.

Die vier Bindungsstile im Überblick

Ängstlich

Erwachsene mit einem ängstlichen Bindungsstil neigen dazu, ein negatives Selbstbild, aber ein positives Bild von anderen zu haben. Menschen mit einem ängstlichen Bindungsstil haben große Angst vor dem Verlassenwerden.

Das bedeutet, dass sie ihren Partner buchstäblich als ihre „bessere Hälfte“ betrachten. Da sich Menschen mit diesem Bindungsstil im Vergleich zu anderen Menschen für weniger liebenswert halten, löst der Gedanke an ein Leben ohne ihren Partner starke Ängste aus. Bereits mehrere Stunden ohne den Partner können ängstliches Verhalten triggern.

Um dieser Angst vor dem Verlassenwerden entgegenzuwirken, sehnen sich Menschen mit einem ängstlichen Bindungsstil stark nach Sicherheit in einer Beziehung. Aufmerksamkeit, Fürsorge und das Eingehen auf die Bedürfnisse des Partners sind in der Regel das „Heilmittel“ gegen ihre Angstgefühle.

Wenn die Aufmerksamkeit, Unterstützung und Intimität nicht ausreicht, wird jemand mit einem ängstlichen Bindungsstil meist anhänglicher und fordernder seinem Partner gegenüber. Menschen mit einem ängstlichen Bindungsstil neigen auch dazu, sich sehr stark mit der Beziehung beschäftigt und verzweifelt nach Bestätigung zu suchen, dass er oder sie geliebt wird.

Personen mit einem ängstlichen Bindungsstil legen großen Wert auf ihre Beziehungen, sind aber oft übermäßig wachsam gegenüber Bedrohungen und haben Angst und Sorge, dass der geliebte Mensch nicht so viel in die Beziehung investiert wie sie selbst. Ein ganz häufiges Beispiel sind negative Gedanken, wenn der Partner mal nicht schnell genug auf eine Nachricht antwortet.

Vermeidend

Menschen mit dem vermeidenden Bindungsstil neigen zu einer positiven Selbstsicht und einer negativen Sichtweise auf andere.

Folglich ziehen sie es vor, ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Selbstgenügsamkeit zu pflegen – vor allem auf emotionaler Ebene.

Personen mit dem vermeidenden Bindungsstil neigen dazu, zu glauben, dass sie nicht in einer Beziehung sein müssen, um sich vollständig zu fühlen. Sie wollen nicht von anderen abhängig sein, nicht, dass andere von ihnen abhängig sind, und sie suchen auch nicht nach Unterstützung und Anerkennung in sozialen Bindungen.

Erwachsene mit diesem Bindungsstil vermeiden im Allgemeinen Intimität oder emotionale Nähe und ziehen sich daher häufig aus einer Beziehung zurück, wenn sie das Gefühl haben, dass die andere Person auf diese Weise von ihnen abhängig wird oder die Beziehung ein für sie bedrohliches Maß an Emotionalität entwickelt.

Oft neigen Menschen mit einem vermeidenden Bindungsstil dazu, ihre Gefühle zu verbergen oder zu unterdrücken, wenn sie mit einer potenziell emotionsgeladenen Situation wie einem Konflikt konfrontiert sind. Das Unterdrücken von Emotionen kann dabei so weit gehen, dass sie sämtliche Gefühle für ihren Partner verlieren bzw. nicht mehr nachvollziehen können.

Ängstlich-vermeidend (Desorganisiert)

Menschen mit dem desorganisierten Bindungsstil neigen dazu, je nach Stimmung und Situation zwischen den Merkmalen der ängstlichen und der vermeidenden Bindung hin und her zu schwanken.

Aus diesem Grund neigen Menschen mit diesem Bindungsstil dazu, in ihren sozialen Bindungen verwirrende und unklare Verhaltensweisen zu zeigen.

Für Erwachsene mit einem ängstlich-vermeidenden Bindungsstil sind der Partner und die Beziehung selbst oft die Quelle von Sehnsucht und Angst zugleich. Einerseits wünschen sich ängstlich-vermeidende Menschen Intimität und Nähe, andererseits haben sie Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen und sich auf sie einzulassen.

Menschen mit diesem Bindungsstil haben oft Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu erkennen und zu regulieren, und neigen dazu, starke emotionale Bindungen zu vermeiden, weil sie große Angst haben, verletzt zu werden.

Sicher

Bei den drei bisher angesprochenen Bindungsstilen (ängstlich, vermeidend und desorganisiert) handelt es sich um die unsicheren Bindungsstile, d. h. sie sind durch Schwierigkeiten beim Aufbau und der Pflege gesunder Beziehungen gekennzeichnet. Man spricht davon, dass etwa 50 % aller Menschen einen mehr oder minder unsicheren Bindungsstil haben.

Die anderen 50 % sind Menschen mit einem sicheren Bindungsstil und damit in der Lage ihre Gefühle offen auszudrücken. Erwachsene mit einem sicheren Bindungsstil können sich bedenkenlos auf ihren Partner verlassen und geben ihrem Partner im Gegenzug ebenfalls die nötige Sicherheit.

Beziehungen zu Personen mit einem sicheren Bindungsstil beruhen auf Ehrlichkeit, Toleranz und emotionaler Nähe. Obwohl Menschen mit diesem Bindungsstil in ihren Beziehungen oft gut funktionieren und sich wohlfühlen, haben sie auch keine Angst davor, auf sich allein gestellt zu sein.

Sichere Bindungspersonen neigen dazu, sich selbst und andere positiv zu sehen, sodass sie nicht übermäßig nach externer Anerkennung oder Bestätigung suchen. Sie können ihre Emotionen, Bedürfnisse und Grenzen erkennen und regulieren und sogar einem Partner dabei helfen, dies mit den eigenen zu tun.

Wie steht es mit dir?

Du hast jetzt einen kurzen Überblick, über die vier verschiedenen Bindungsstile bekommen. Hast du schon erste Tendenzen entdeckt, welcher Bindungsstil zu dir passen könnte bzw. gibt es eigene Verhaltensweisen, die du einem der Stile zuordnen würdest?

Es ist übrigens völlig normal, dass du in deinen romantischen Beziehungen Merkmale eines oder mehrerer Bindungsstile entdecken wirst. Es wichtig, dass du im Hinterkopf behältst, dass sich Bindungsstile nach wichtigen Lebensereignissen oder sogar bei verschiedenen Partnern ändern können.

So kann beispielsweise eine unsicher gebundene Person eine sichere Bindung eingehen, wenn sie einen sicher gebundenen Partner hat. Andererseits ist es auch möglich, dass jemand mit einem sicheren Bindungsstil ein ungesundes Beziehungsverhalten entwickelt, nachdem er ein Trauma erlebt oder einen geliebten Menschen verloren hat.

Wann sollte man sich Sorgen um seinen Bindungsstil machen?

Die wenigsten von uns werden in der Lage sein, sich zu 100 % als Mensch mit einem sicheren Bindungsstil zu identifizieren.

Selbst wenn wir denken, dass wir stabile Beziehungen haben, gibt es vielleicht doch immer mal wieder Muster in unserem Verhalten, die uns triggern oder stören und uns so stressen oder unglücklich machen. Die Frage ist nur, wie viel Einfluss diese Dinge tatsächlich haben.

Leider werden sich einige von uns in den Merkmalen eines der drei unsicheren Bindungstypen wiedererkennen.

Wenn du in einer Beziehung bist und dich bereits beim Lesen mit einem der unsicheren Bindungsstile identifizieren konntest, solltest du das Problem aktiv angehen. Du kannst z.B. deine Selbstwahrnehmung verbessern, an deinen Triggern arbeiten und falls nötig, psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.

Stark ausgeprägte unsichere und instabile Bindungsstile können zu Angstzuständen, Depressionen und anderen psychischen Problemen führen, wenn sie nicht angegangen werden. Lass dir abschließend sagen, dass bereits die Tatsache, dass du hier bist und dich mit dem Thema Bindungsstil beschäftigst, ein wichtiger und großer Schritt ist.